Deutschlands extraterritoriale Staatenpflichten

In einem Bericht der Nichtregierungsorganisationen FIAN, Brot für die Welt und EED, werden drei grundlegende Empfehlungen zur einer angemesseneren Verpflichtung Deutschlands an das Recht auf Ernährung aufgestellt:

Zusammenfassung:

Auf Grundlage der Diskussion der sechs Fallstudien können folgende grundsätzliche Empfehlungen an die deutsche Regierung ausgesprochen werden:

  •  • Die deutsche Regierung sollte sich aktiv mit ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Menschen im Ausland auseinandersetzen und extraterritoriale Verpflichtungen durch Mainstreaming und Institutionalisierung von Menschenrechten in den  unterschiedlichen Ministerien verankern. Dazu gehört die Ausweitung der Kapazitäten zur Bewertung der Auswirkungen deutscher Politik auf Menschenrechte außerhalb des Staatsgebietes.
  • Die deutsche Regierung sollte Institutionen und Einzelpersonen, die den deutschen Staat in anderen Ländern vertreten, anweisen und befähigen, Deutschlands extraterritoriale Verpflichtungen zu berücksichtigen, zum Beispiel, wenn sie bilaterale Investitionsabkommen verhandeln und auslegen.
  • Die deutsche Regierung sollte juristische Gutachten einholen, in denen die Möglichkeiten von gerichtlichem Vorgehen in Fällen von Menschenrechtsverletzungen in anderen  Ländern, in die deutsche Firmen verstrickt sind, bearbeitet werden. Diese Gutachten sollten Empfehlungen zur Überwindung bestehender Hindernisse vorlegen, einschließlich der Möglichkeit von gesetzgeberischen Initiativen.“

 

Im Detail:

Extraterritoriale Verpflichtungen im Kontext von Auslandsinvestitionen und internationalem Handel

Anwälte des Rechts auf Nahrung fordern von daher ein Ende des Dumpings und eine Umorientierung der Agrarpolitik der EU und der USA, um das Recht auf Nahrung von Bauern- und Arbeiterfamilien in anderen Teilen der Welt zu schützen. Menschenrechte werden nur umgesetzt werden können, wenn Staaten in der Lage sind, die Märkte von gefährdeten Bauern vor billigen Importen schützen können. Die Bestimmungen in Investitionsschutzabkommen über die Prozedere zur Beilegung von Konflikten zwischen den Investoren und den Staaten verstärken dies zusätzlich.

 

Heimatstaatliche Regulierung transnationaler Unternehmen

Eine besondere Rolle kommt den Staaten zu, in denen diese transnationalen Unternehmen beheimatet sind. So gibt es eine extraterritoriale Schutzpflicht, die nach Ansicht des VN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Nahrung folgendes beinhaltet: „Die Schutzpflicht verlangt von Staaten, dass sie sicherstellen, dass ihre eigenen Bürger und Unternehmen, wie auch dritte Parteien, die ihrer Gerichtsbarkeit unterstehen, einschließlich transnationaler Unternehmen, das Recht auf Nahrung in anderen Ländern nicht verletzen. Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern, hat es in Deutschland noch keine parlamentarische Gesetzesinitiative gegeben, die festschreiben würde, dass Unternehmen für ihre Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen im Ausland haftbar gemacht werden können. In der Abwesenheit solcher Gesetzgebung sind die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen „potentiell eines der vielversprechendsten Instrumente, die zur Verfügung stehen, um Unternehmen für den Verstoß gegen Menschenrechte zur Verantwortung zu ziehen. Während sie vom Wesen her freiwillig sind, liegen ihre Vorzüge in den staatlichen Umsetzungsmechanismen, dem Beschwerdeverfahren und der weltweiten Anwendbarkeit für alle Unternehmen aus den beteiligten Ländern.“

Der besondere Umsetzungsmechanismus der Leitlinien ist die Einrichtung von Nationalen Kontaktstellen. Diese sind bei Regierungsstellen angesiedelt (in Deutschland im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) und haben die Aufgabe, die Umsetzung der Leitlinien zu fördern und sich mit Beschwerden gegen TNCs zu befassen.

 

Deutschlands menschenrechtliche Verpflichtungen in multilateralen Entwicklungsbanken

Wenn im Zusammenhang mit von multilateralen Entwicklungsbanken (MEBn) finanzierten Projekten und Programmen Menschenrechte verletzt werden, müssen alle beteiligten Akteure – einschließlich der MEBn – zur Verantwortung gezogen werden. Die Hauptverantwortung liegt bei dem Staat, der darin versagt hat, Menschenrechte zu respektieren oder zu schützen. Die beteiligte MEB und die deutsche Regierung als einflussreicher Mitgliedstaat dieser MEB müssen jedoch sicherstellen, dass die von der MEB geförderten und geforderten Maßnahmen nicht die Menschenrechte verletzen oder den Staat darin einschränken, Menschenrechte zu schützen und zu gewährleisten. Wie im Einführungskapitel beschrieben, kann die deutsche Regierung ihren mangelnden Einfluss und den Mangel an effektiver Kontrolle nicht als Argumente dafür nutzen, sich ihrer Rechenschaftspflicht zu entziehen.

Um ihre extraterritorialen Verpflichtungen im Rahmen der MEBn umsetzen zu können, sollte die deutsche Regierung verbindliche Richtlinien erarbeiten, welche Deutschlands menschenrechtliche Verpflichtungen in den MEBn festschreiben. Über das Abstimmungsverhalten der deutschen Exekutivdirektoren in den MEBn ist relativ wenig bekannt. Transparenz ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die deutsche Regierung für ihr Verhalten in den MEBn zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das Mainstreaming von Menschenrechten in Entscheidungsfindungsprozessen muss deshalb Hand in Hand mit dem Aufbau personeller Kapazitäten gehen.

 

Die Weltbank hat erst vor kurzem anerkannt, dass die Menschenrechte für ihre Arbeit relevant sind. Dies heißt jedoch nicht, dass sie damit anerkennt, dass sie Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen im Rahmen von durch die Weltbank finanzierten Projekten übernehmen muss.

Die deutsche Regierung sollte von daher einen zweigleisigen Ansatz verfolgen, um ihren Verpflichtungen gemäß des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wie auch anderer internationaler Menschenrechtsabkommen nachkommen zu können: einerseits muss sie gewährleisten, dass ihre eigenen Entscheidungen in den multilateralen Entwicklungsbanken die Menschenrechte respektieren und zu ihrem Schutz und Gewährleistung beitragen; andererseits sollte sie aktiv die Einführung von internationalen Verfahren vorantreiben, mit deren Hilfe MEBn für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden können. Ein erster Schritt wäre die Einführung eines Berichtsverfahrens für MEBn auf Grundlage des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, sowie anderer Abkommen, die dies vorsehen.

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